16 Sep Psychisch krank im Job – (k)ein Tabu?
Drama Queen, wahnsinniges Genie, charismatischer Narziss: Die Klischees sind so vielfältig wie die Mythen hartnäckig.
Unser Bild von psychischen Erkrankungen ist geprägt von Film und Fernsehen. Ganz im Sinne von „only bad news are good news“ dominiert die Erzählung spektakulärer oder verstörender Stories. Das tragische Leben einer Camille Claudel oder der Rachefeldzug einer Glenn Close in „Verhängnisvolle Affäre“ lockt mehr Zuseher, als die junge Lehrerein, die sich aus der Depression herauskämpft. Die Folgen dieser Bilder für die Betroffenen sind ein verunsichertes Umfeld und Stigmatisierung.
Die Grenze zwischen psychisch krank und gesund ist fließend
Der Übergang von einer „persönliche Eigenart“ zu einer „krankheitswertigen Störung“ basiert auf gesellschaftlichen Normen: Was als psychisch krank hängt vom Kulturkreis und der Epoche ab. So wurde etwa Homosexualität bis 1992 im Internationalen Klassifikationssystem (ICD) der WHO als Krankheit gelistet.
Die Diagnose psychischer Erkrankungen basiert auf der Feststellung einer grundlegenden Veränderung des Erlebens und Verhaltens, die zumeist mit erheblichem Leidensdruck (für den Betroffenen und/oder die Bezugspersonen) verbunden ist.
Psychische Krankheiten sind „alltäglich“
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind psychische Erkrankungen weit verbreitet: Mehr als 25% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland sind im Laufe eines Jahres betroffen. An erster Stelle stehen Angststörungen, gefolgt von Depressionen sowie Alkohol- und Medikamentenmissbrauch.
Auswirkungen im Job
Psychische Erkrankungen sind genauso wie körperliche Erkrankungen behandelbar, oft mit einer Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten. So kann rund 70% der an Depression Erkrankten mit geeigneter Behandlung geholfen werden.
Entscheidend sind rechtzeitiges Erkennen und die frühzeitige Unterstützung. Das soziale Gefüge am Arbeitsplatz ist gefordert. Es gilt – zumindest zeitlich begrenzt – Aufgaben mit zu übernehmen und Konflikte unter erschwerten Bedingungen zu lösen. Bis dato Selbstverständliches ist nun von Unsicherheit geprägt:
„Darf ich Frau Meier noch kritisieren, oder tut sie sich dann etwas an?“
„Wie lange muss ich die Arbeit von Kollegen Müller denn noch mitmachen?“
Häufig fragen uns Führungskräfte:
„Ist das nicht privat? Wie spreche ich es an?“
„Wo ist die Belastungsgrenze für mein Team?“ Wie viel kann ich fordern?
„Welche Infos gebe ich weiter, was ist vertraulich?“
Für betroffene Teams ist es entlastend, sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden. Rücksichtnahme – ja. Verantwortung – nein. Führungskräfte erleben veränderte Anforderungen an ihre Rolle. Es gilt, auch in der Fürsorglichkeit, die Führungsrolle beizubehalten und weder zur Therapeutin noch zum Retter zu werden.
Hilfestellung im Anlassfall bieten u.a. ArbeitspsychologInnen: Sie …
– geben der Führungskraft und dem Team Sicherheit im Umgang mit dem Thema,
– begleitet Betroffene in Krisen sowie beim Wiedereinstieg nach längeren Krankenständen und
– organisieren bei Bedarf auch Unterstützung für Angehörige des/der Erkrankten (z.B. im Rahmen von EAP)
Lesetipp: „Psychisch krank im Job- was tun?“ -> Kompakte Broschüre des BKK Bundesverband (2006)
Zu guter Letzt:
Eine gemeinsam gemeisterte Krise gibt ein gutes Gefühl für alle und stärkt die Zuversicht auch mit zukünftigen Herausforderungen zurechtzukommen.
Mag.a Susanne Hickel